Lobe den Herrn, meine Seele

BWV 69 // zur Ratswahl

für Sopran, Alt, Tenor und Bass, Vokalensemble, Trompete I–III, Pauken, Oboe I–III, Oboe d’amore, Streicher und Basso continuo

Der im Spätsommer begangene Ratswechsel gehörte zu den repräsentativsten Daten im kulturpolitischen Kalender des alten Leipzig. Für diese Aufgabe griff Bach 1748 auf eine prachtvoll ausgestaltete gleichnamige Kirchenkantate aus seinem ersten Dienstjahr 1723 zurück, die er durch den Austausch und die Überarbeitung von Sätzen für den neuen Zweck einrichtete. Vor allem die neukomponierten Rezitative sprechen in plastischen Bildern vom gerechten und gute Frucht tragenden Regieren sowie vom Zusammenleben in einer wohlgeordneten Gemeinde.

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Lutzogramm zur Werkeinführung

Manuskript von Rudolf Lutz zur Werkeinführung
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Akteure

Solisten

Sopran
Mirjam Wernli

Alt/Altus
Elvira Bill

Tenor
Daniel Johannsen

Bass
Stephan MacLeod

Chor

Sopran
Cornelia Fahrion, Gabriela Glaus, Jessica Jans, Susanne Seitter, Ulla Westvik

Alt
Antonia Frey, Laura Kull, Lea Scherer, Jan Thomer, Lisa Weiss

Tenor
Manuel Gerber, Klemens Mölkner, Joël Morand, Nicolas Savoy

Bass
Serafin Heusser, Israel Martins, Philippe Rayot, Julian Redlin, Jean-Christophe Groffe

Orchester

Leitung
Rudolf Lutz

Violine
Éva Borhi, Péter Barczi, Dorothee Mühleisen, Ildikó Sajgó, Lenka Torgersen, Aliza Vicente

Viola
Sonoko Asabuki, Alberico Giussani, Matthias Jäggi

Violoncello
Maya Amrein, Jakob Valentin Herzog

Violone
Markus Bernhard

Oboe
Andreas Helm, Philipp Wagner, Katharina Arfken

Fagott
Susann Landert

Trompete
Patrick Henrichs, Peter Hasel, Klaus Pfeiffer

Pauken
Inez Ellmann

Cembalo
Thomas Leininger

Orgel
Nicola Cumer

Musikal. Leitung & Dirigent

Rudolf Lutz

Werkeinführung

Mitwirkende
Rudolf Lutz, Pfr. Niklaus Peter

Reflexion

Reflexion
Philipp Hübl

Aufnahme & Bearbeitung

Aufnahmedatum
04.07.2025

Aufnahmeort
St. Gallen // Kirche St. Laurenzen

Tonmeister
Stefan Ritzenthaler

Regie
Meinrad Keel

Produktionsleitung
Johannes Widmer

Produktion
GALLUS MEDIA AG, Schweiz

Produzentin
J.S. Bach-Stiftung, St. Gallen, Schweiz

Zum Werk

Textdichter

Erste Aufführung
26 August 1748

Textgrundlage
Unbekannter Dichter
Satz 1: Psalm 103,2; Satz 6: «Es woll uns Gott genädig sein» (Martin Luther, 1524), Strophe 3

Text des Werks und musikalisch-theologische Anmerkungen

Der jährlich am Montag nach dem Bartholomäustag Ende August begangene Ratswechsel gehörte zu den repräsentativsten Daten im bürgergemeindlichen Kalender des alten Leipzig. Für diese ebenso einträgliche wie ehrenvolle Aufgabe griff Bach 1748 auf eine prachtvoll ausgestaltete Kirchenkantate aus seinem ersten Dienstjahr 1723 zurück, die er durch den Austausch und die Überarbeitung von Sätzen für den neuen Zweck einrichtete. Der Eingangschor setzt mit dem titelgebenden Psalmwort 103,2 «Lobe den Herrn, meine Seele» ein. Er gibt der Kantate damit ihr vielfarbig beleuchtetes Thema für die Leipziger Ratsherren und ihre Bürgerschaft: die Erinnerung an erwiesene Wohltaten und das Wachhalten einer religiös begründeten Dankbarkeit und Verantwortung füreinander. Die neukomponierten Rezitative sprechen dabei in plastischen Bildern vom gerechten und gute Frucht tragenden Regieren sowie vom Zusammenleben in einer wohlgeordneten Gemeinde.

1. Chor

«Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat.»

1. Chor

Dankbarkeit ist eines der wichtigsten religiösen Resonanzphänomene – der Eingangschor setzt mit dem Bibelwort aus Psalm 103,2 «Lobe den Herrn, meine Seele» gleich zu Beginn die durchgängige Thematik für diese späte Ratswechselkantate Bachs aus dem Jahr 1748. In das locker geformte dreichörige Konzertieren des Orchesters fügen sich die Singstimmen mit weiträumigen Koloraturen ein, die wie die aufsteigenden Flammen eines Dankopfers wirken. Bach nimmt sich in diesem Satz viel Zeit, um die Materialschichten und Fugenthemen im Sinne eines unaufhörlichen Lobes immer wieder neu zu kombinieren.

2. Rezitativ – Sopran

Wie groß ist Gottes Güte doch!
Er bracht uns an das Licht, und er erhält uns noch!
Wo findet man nur eine Kreatur, der es an Unterhalt gebricht?
Betrachte doch, mein Geist, der Allmacht unverdeckte Spur,
die auch im Kleinen sich recht groß erweist.
Ach! möcht es mir, o Höchster, doch gelingen,
ein würdig Danklied dir zu bringen!
Doch, sollt es mir hierbei an Kräften fehlen,
so will ich doch, Herr, deinen Ruhm erzählen.

2. Rezitativ – Sopran

Im von Bach plastisch nachgezeichneten Sopran-Rezitativ umspielt und vertieft der unbekannte Textdichter das Thema – die Wahrnehmung von Gottes Güte und der vielfältigen Spuren seines machtvollen Wirkens und Ruhms.

3. Arie – Alt

Meine Seele, auf! erzähle,
was dir Gott erwiesen hat.
Rühme seine Wundertat,
laß, dem Höchsten zu gefallen,
ihm ein frohes Danklied schallen.

3. Arie – Alt

Die Altarie ist eine biblische Kompilation aus Motiven alt- und neutestamentlicher Selbstaufforderungen zum Gotteslob (Ps. 9,2, Ps. 66,16, Lk. 1,46): Die fromme Seele soll dankbar von Gottes Wirken erzählen. Im fliessenden 9/8-Takt und eingebettet in den sanften Duktus der begleitenden Violine und Oboe gerät dieses «Erzählen» von Gottes wunderbarer Führung zum bildhaften Strom des rühmenden Dankes und der vertrauenden Zuversicht.

4. Rezitativ – Tenor

Der Herr hat große Ding an uns getan;
denn er versorget und erhält,
beschützet und regiert die Welt;
er tut mehr, als man sagen kann.
Jedoch, nur eines zu gedenken:
Was könnt uns Gott wohl bessers schenken,
als daß er unsrer Obrigkeit
den Geist der Weisheit gibet,
die denn zu jeder Zeit
das Böse straft, das Gute liebet?
Ja, der bei Tag und Nacht
vor unsre Wohlfahrt wacht.
Laßt uns dafür den Höchsten preisen;
auf, ruft ihn an, daß er sich auch noch fernerhin
so gnädig woll’ erweisen.
Was unserm Lande schaden kann,
wirst du, o Höchster, von uns wenden
und uns erwünschte Hülfe senden.
Ja, ja, du wirst in Kreuz und Nöten
uns züchtigen, jedoch nicht töten.

4. Rezitativ – Tenor

Im Tenor-Rezitativ werden die Motive der Arie mit weiteren biblischen Zitaten vertieft: «Der Herr hat große Ding an uns getan» (Ps. 126,3 und Lk. 1,49). Was könnte Gott dem regierenden Rat Besseres schenken als Weisheit und Sinn für die «Wohlfahrt» aller? – und wo nötig, Zeichen von Korrektur. Dass Bach den schimmernden Glanz der begleitenden Streicher zunächst für den Preis der mindestens von Amts wegen «weisen» Obrigkeit reservierte, wurde von den Zeitgenossen gewiss als klingender Beweis von deren Gottesgnadentum wahrgenommen. Der keineswegs ungetrübte Vorausblick auf bevorstehende Zeiten der göttlichen «Züchtigung» wird dann mit seufzerhafter Demut ausmusiziert.

5. Arie – Bass

Mein Erlöser und Erhalter,
nimm mich stets in Hut und Wacht!
Steh mir bei in Kreuz und Leiden,
alsdenn singt mein Mund mit Freuden,
Gott hat alles wohl gemacht.

5. Arie – Bass

Die Bass-Arie ist eine Bitte an Gott um Bewahrung und Beistand in «Kreuz und Leiden» – dies in der Hoffnung, künftig singen zu können: «Gott hat alles wohl gemacht». Bach wählt dafür den kantigen Duktus eines zeremoniellen Tanzes, um den Bass mit staatsmännischer Contenance und unerschütterlichem Gottvertrauen alle Anfechtungen meistern zu lassen. Das elegische h-Moll und die beseelte Klangfarbe der partiell aus dem Streichersatz heraustretenden Oboe d’amore verleihen der Arie einen zwischen ausgekostetem Leid und trotziger Zuversicht changierenden Charakter.

6. Choral

Es danke, Gott, und lobe dich
das Volk in guten Taten.
Das Land bringt Frucht und bessert sich,
dein Wort ist wohl geraten.
Uns segne Vater und der Sohn,
uns segne Gott der Heilge Geist,
dem alle Welt die Ehre tut,
für ihm sich fürchten allermeist;
und sprecht von Herzen: Amen!

6. Choral

Die Kantate schliesst mit dem Segenswunsch aus der dritten Strophe von Martin Luthers Choral «Es woll uns Gott genädig sein» (1524). Die eingefügten Bläserfanfaren führen nach den verinnerlichten Binnensätzen zurück zum Festcharakter des Anlasses.

Quellenangaben

Alle Kantatentexte stammen aus «Neue Bach-Ausgabe. Johann Sebastian Bach. Neue Ausgabe sämtlicher Werke», herausgegeben vom Johann-Sebastian-Bach-Institut Göttingen und vom Bach-Archiv Leipzig, Serie I (Kantaten), Bd. 1–41, Kassel und Leipzig, 1954–2000.
Alle einführenden Texte zu den Werken, die Texte «Vertiefte Auseinandersetzung mit dem Werk» sowie die «musikalisch-theologische Anmerkungen» wurden von Anselm Hartinger und Pfr. Niklaus Peter sowie Pfr. Karl Graf verfasst unter Bezug auf die Referenzwerke: Hans-Joachim Schulze, «Die Bach-Kantaten. Einführungen zu sämtlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs», Leipzig, 2. Aufl. 2007; Alfred Dürr, «Johann Sebastian Bach. Die Kantaten», Kassel, 9. Aufl. 2009, und Martin Petzoldt, «Bach-Kommentar. Die geistlichen Kantaten», Stuttgart, Bd. 1, 2. Aufl. 2005 und Bd. 2, 1. Aufl. 2007.

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