Darzu ist erschienen der Sohn Gottes

BWV 040 // zum 2. Weihnachtstag

für Alt, Tenor und Bass, Vokalensemble, Horn I+II, Oboe I+II, Streicher und Basso continuo

In einer seiner ersten Leipziger Weihnachtsmusiken nahm sich Bach nichts weniger als die Versöhnung von Kunst und Verständlichkeit vor. Gleich drei verschiedene Choralsätze geben dem gemeindlichen Singen ungewöhnlich viel Raum; die Arien und der von zwei Hörnern überstrahlte Eingangschor offenbaren hingegen konzertanten Glanz und kontrapunktische Meisterschaft. Der auf Jesus als Überwinder von Tod, Teufel und Sünde konzentrierte Text setzte zudem dramatische Gestaltungskräfte frei. «Menschen, Tiere, Sensationen» – Bachs klingende Weihnachtsrevue könnte abwechslungsreicher nicht sein.

Das Werk im Kirchenjahr

Komponiert

zum 2. Weihnachtstag

Nächster Termin am

25. Dezember 2025

In 6 Tagen


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Perikopen zum Sonntag

Perikopen sind die biblischen Lesungen zu den Sonn- und Festtagen im Kirchenjahr, für die J. S. Bach komponierte. Weitere Infos zu Perikopen

Singet dem Herrn ein neues Lied; denn er tut Wunder. Er siegt mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm. Der Herr lässt sein Heil verkündigen; vor den Völkern lässt er seine Gerechtigkeit offenbaren. Er gedenkt an seine Gnade und Wahrheit dem Hause Israel; aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.

Da aber erschien die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes, unseres Heilandes – nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit machte er uns selig durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen er ausgegossen hat über uns durch Jesum Christum, unseren Heiland, auf dass wir durch desselben Gnade gerecht und Erben seien des ewigen Lebens nach der Hoffnung.

Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: «Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.» Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegen. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott um alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Video

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Lutzogramm zur Werkeinführung

Manuskript von Rudolf Lutz zur Werkeinführung
Download (PDF)

Akteure

Solisten

Alt/Altus
Benjamin Williamson

Tenor
Charles Daniels

Bass
Markus Volpert

Chor

Sopran
Alice Borciani, Cornelia Fahrion, Linda Loosli, Susanne Seitter, Noëmi Tran-Rediger, Alexa Vogel

Alt
Antonia Frey, Francisca Näf, Jan Thomer, Lisa Weiss, Sarah Widmer

Tenor
Clemens Flämig, Manuel Gerber, Sören Richter, Walter Siegel

Bass
Fabrice Hayoz, Daniel Pérez, Julian Redlin, Peter Strömberg, Tobias Wicky

Orchester

Leitung
Rudolf Lutz

Violine
Renate Steinmann, Monika Baer, Patricia Do, Lisa Herzog-Kuhnert, Olivia Schenkel, Salome Zimmermann

Viola
Susanna Hefti, Claire Foltzer, Stella Mahrenholz

Violoncello
Martin Zeller, Bettina Messerschmidt

Violone
Markus Bernhard

Oboe
Andreas Helm, Amy Power

Fagott
Susann Landert

Horn
Stephan Katte, Thomas Friedlaender

Cembalo
Thomas Leininger

Orgel
Nicola Cumer

Musikal. Leitung & Dirigent

Rudolf Lutz

Werkeinführung

Mitwirkende
Rudolf Lutz, Pfr. Niklaus Peter

Reflexion

Reflexion
Eva von Redecker

Aufnahme & Bearbeitung

Aufnahmedatum
19.12.2025

Aufnahmeort
St. Gallen // evangelische Kirche St. Mangen

Tonmeister
Stefan Ritzenthaler

Regie
Meinrad Keel

Produktionsleitung
Johannes Widmer

Produktion
GALLUS MEDIA AG, Schweiz

Produzentin
J.S. Bach-Stiftung, St. Gallen, Schweiz

Zum Werk

Textdichter

Erste Aufführung
26. Dezember 1723 in Leipzig

Dichter unbekannt
Satz 1: 1. Johannes 3,8
Satz 3: «Wir Christenleut» (Caspar Füger, 1592), Strophe 3
Satz 6: «Schwing dich auf zu deinem Gott» (Paul Gerhardt, 1653), Strophe 2
Satz 8: «Freuet euch, ihr Christen alle» (Christian Keymann, Entstehungszeit 1645; Erstdruck 1646), Strophe 4 (Textdruck Döbeln 1736)

Text des Werks und musikalisch-theologische Anmerkungen

In der zum 26. Dezember 1723 komponierten Kantate BWV 40 – einer seiner ersten Leipziger Weihnachtsmusiken überhaupt – nahm Bach sich nichts weniger vor als eine Verbindung von Küchlein, Schlange, Teufel und neugeborenem Gotteskind. Eine auf den ersten Blick exotisch anmutende Kombination für den zweiten Weihnachtstag, der aber auch der Gedenktag des Märtyrers Stephan ist. Hier war die vorgeschriebene Lesung Matthäus 23.37–39 – die Weheworte über Jerusalem mit der Henne, die ihre Küchlein schützt, was traditionellerweise auf Jesus gedeutet wurde. Und so wird der Neugeborene bei Bach und seinem unbekannten Librettisten als Überwinder von Tod und Sünde gefeiert, was zugleich der «höllischen Schlange» und ihrem auch die Seele bedrohenden Gift den Garaus macht. Der von diesem dramatischen Geschehen inspirierte Text setzt musikalisch vielfältige Gestaltungskräfte frei – Bachs klingende Weihnachtsmusik könnte abwechslungsreicher nicht sein. Die plastisch ausgestalteten Arien und der von zwei Hörnern überstrahlte Eingangschor offenbaren konzertanten Glanz und kontrapunktische Meisterschaft. Gleich drei verschiedene Choralsätze geben hingegen dem gemeindlichen Singen ungewöhnlich viel Raum, wobei sich zwischen Sündenleid, Gnadensonne und auf das neue Jahr vorausblickender Friedensbitte ein weites inhaltliches Spektrum öffnet.

1. Chor

«Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er die Werke des Teufels zerstöre.»

1. Chor

Der Eingangschor setzt ein mit einem wörtlichen Zitat aus 1. Johannesbrief 3.8 über den dramatischen Grund für die Geburt Jesu: «Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er die Werke des Teufels zerstöre», was gleich zu Beginn kontrastreiche Horizonte eröffnet. In das ebenso launige wie motivisch selbstbewusste Konzertieren der Hörner, Oboen und Streicher stimmen die Vokalpartien mit blockhaften Rufen und bildhaften Koloraturen («zerstöre») ein. Anschliessend errichtet Bach mit diesen Bausteinen ein auch mit effektvollen Engführungen arbeitendes Fugengebäude, ehe der Satz in kraftvollfreiem Reprisen-Gestus endet.

2. Rezitativ — Tenor

Das Wort ward Fleisch und wohnet in der Welt,
das Licht der Welt bestrahlt den Kreis der Erden,
der große Gottessohn
verläßt des Himmels Thron,
und seiner Majestät gefällt,
ein kleines Menschenkind zu werden.
Bedenkt doch diesen Tausch, wer nur gedenken kann:
Der König wird ein Untertan,
der Herr erscheinet als ein Knecht
und wird dem menschlichen Geschlecht,
o süßes Wort in aller Ohren!
zu Trost und Heil geboren.

2. Rezitativ — Tenor

Im ebenso liebevoll wie gekonnt ausmusizierten Tenor-Rezitativ wird die Weihnachtsgeschichte mit den Worten des Johannesprologs paraphrasiert und als heilsamer Tausch interpretiert: Der Gottessohn wird Menschenkind und der König Untertan, damit der Mensch wieder zum Heil gelangen kann.

3. Choral


Die Sünd macht Leid;
Christus bringt Freud,
weil er zu Trost in diese Welt ist kommen.
Mit uns ist Gott
nun in der Not:
Wer ist, der uns als Christen kann verdammen!

3. Choral

Die 3. Strophe des alten Chorals «Wir Christenleut» von Caspar Füger (1592) bringt das Ganze auf eine schöne, knappe Formel: «Die Sünd macht Leid; Christus bringt Freud» – und fügt als Heilsbotschaft für alle hinzu: «Mit uns ist Gott» (dt. Übersetzung von «Immanuel») «nun in der Not».

4. Arie — Bass

Höllische Schlange,
wird dir nicht bange?
höllische Schlange?
Der dir den Kopf als ein Sieger zerknickt,
ist nun geboren,
und die verloren,
werden mit ewigem Frieden beglückt.

4. Arie — Bass

In der Bass-Arie wird mit der Sündenfall-Geschichte von Genesis 3 der Teufel direkt angesprochen und Christus als künftiger Sieger gefeiert. Er wird es sein, welcher der Schlange den Kopf zertritt und die Verlorenen «mit ewigem Frieden beglückt». Bach entwirft dazu über sündenbezogener Basschromatik einen bildhaft zuckenden Orchestersatz, in dessen fahle Unwirklichkeit bereits das Zu-Staub-Zerfallen alles Bösen einkomponiert scheint.

5. Rezitativ — Alt

Die Schlange, so im Paradies
auf alle Adamskinder
das Gift der Seelen fallen ließ,
bringt uns nicht mehr Gefahr;
des Weibes Samen stellt sich dar,
der Heiland ist ins Fleisch gekommen
und hat ihr allen Gift benommen.
Drum sei getrost! betrübter Sünder.

5. Rezitativ — Alt

Das mit hinterhältig züngelnden Streicher-Figuren ausgestattete Alt-Rezitativ strickt weiter am mythologischen Faden der bösen Schlange, welche im Paradies über Eva die Seelen aller Adamskinder vergiftet habe – was nun jedoch überwunden ist durch den Heiland, der «ins Fleisch gekommen» und ihr «allen Gift benommen». Entsprechend tritt in diesem Moment überwundener Heillosigkeit die anfangs ausgesparte Continuostütze hinzu.

6. Choral

Schüttle deinen Kopf und sprich:
Fleuch, du alte Schlange!
Was erneurst du deinen Stich,
machst mir angst und bange?
Ist dir doch der Kopf zerknickt,
und ich bin durchs Leiden
meines Heilands dir entrückt
in den Saal der Freuden.

6. Choral

Unglaublich bildstark und kraftvoll sind die Worte der 2. Strophe von Paul Gerhardts Choral «Schwing dich auf zu deinem Gott» (1653). Denn nun sollen alle Gläubigen den Kopf schütteln und sprechen: «Fleuch, du alte Schlange!» Ihre fortwährenden Stiche sind nicht mehr gefährlich, denn ihr Kopf ist «zerknickt» und ihre Wirkungen durch Christi Leiden überwunden.

7. Arie — Tenor

Christenkinder, freuet euch!
Wütet schon das Höllenreich,
will euch Satans Grimm erschrecken:
Jesus, der erretten kann,
nimmt sich seiner Küchlein an
und will sie mit Flügeln decken.

7. Arie — Tenor

Die Tenor-Arie ruft alle «Christenkinder» auf zur Freude, denn nun wird mit den Worten der Perikope des Stephanstages aus Matthäus 23.37-39 Jesus als Retter gefeiert, der als Henne seine «Küchlein» mit Flügeln deckt und schützt. Der befreit federnde 12∕8-Takt trägt die von aufstrebenden Fanfaren vorangetriebene Tenorstimme durch freudestrahlende Koloraturen und das deutende «Erschrecken» des Mittelteils.

8. Choral

Jesu, nimm dich deiner Glieder
ferner in Genaden an;
schenke, was man bitten kann,
zu erquicken deine Brüder:
Gib der ganzen Christenschar
Friede und ein selges Jahr!
Freude, Freude über Freude!
Christus wehret allem Leide.
Wonne, Wonne über Wonne!
Er ist die Genadensonne.

8. Choral

Der dritte Choral dieser Kantate stammt aus Christian Keymanns Weihnachtslied «Freuet euch, ihr Christen alle», dessen 4. Strophe sich im Gebet direkt an Jesus wendet mit den Bitten um Gnade, Frieden und ein seliges Jahr. Auch dank der diesen Choral auszeichnenden Steigerungsmelodik mündet die Kantate so in ein überschwängliches: «Freude, Freude über Freude!»

Quellenangaben

Alle Kantatentexte stammen aus «Neue Bach-Ausgabe. Johann Sebastian Bach. Neue Ausgabe sämtlicher Werke», herausgegeben vom Johann-Sebastian-Bach-Institut Göttingen und vom Bach-Archiv Leipzig, Serie I (Kantaten), Bd. 1–41, Kassel und Leipzig, 1954–2000.
Alle einführenden Texte zu den Werken, die Texte «Vertiefte Auseinandersetzung mit dem Werk» sowie die «musikalisch-theologische Anmerkungen» wurden von Anselm Hartinger und Pfr. Niklaus Peter sowie Pfr. Karl Graf verfasst unter Bezug auf die Referenzwerke: Hans-Joachim Schulze, «Die Bach-Kantaten. Einführungen zu sämtlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs», Leipzig, 2. Aufl. 2007; Alfred Dürr, «Johann Sebastian Bach. Die Kantaten», Kassel, 9. Aufl. 2009, und Martin Petzoldt, «Bach-Kommentar. Die geistlichen Kantaten», Stuttgart, Bd. 1, 2. Aufl. 2005 und Bd. 2, 1. Aufl. 2007.

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Das Kirchenjahr mit Bach

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