Auf Christi Himmelfahrt allein
BWV 128 // zu Himmelfahrt
für Alt, Tenor und Bass, Vokalensemble, Oboe I+II, Oboe da caccia, Trompete, Horn I+II, Streicher und Basso continuo
Zwischen Ostern und Trinitatis 1725 vertonte Bach neun Libretti der Leipziger Patriziertochter und kaiserlich gekrönten «Poeta laureata» Mariane von Ziegler (1695–1760). Dabei setzte er auf farbige Instrumentierungen, wobei der Rang des Himmelfahrtsfestes und der eröffnende Choralchor der Kantate BWV 128 zusätzlichen Nachdruck verleihen. Die von einem beweglichen Orchestersatz gestützten Hornklänge des Eingangs setzen sich in einer Bassarie fort, die mit «hellem Trompetenschall» die Auferstehung Jesu besingt, in einem bewegenden Rezitativeinschub jedoch die dem Menschen geziemende Demut reflektiert. Während ein verinnerlichtes Duett «durch die Sterne» hindurch die Herrlichkeit Gottes zu erblicken sucht, blasen die Rahmensätze mit elektrisierender Energie «allen Zweifel, Angst und Pein» hinweg.
Chor
Sopran
Maria Deger, Linda Loosli, Simone Schwark, Susanne Seitter, Baiba Urka, Ulla Westvik
Alt
Antonia Frey, Francisca Näf, Simon Savoy, Lea Scherer, Lisa Weiss
Tenor
Rodrigo Carreto, Clemens Flämig, Tiago Oliveira, Christian Rathgeber
Bass
Fabrice Hayoz, Seran Heusser, Israel Martins, Julian Redlin, Tobias Wicky
Orchester
Leitung
Rudolf Lutz
Violine
Éva Borhi, Cecilie Valter, Ildikó Sajgó, Péter Barczi, Christine Baumann, Petra Melicharek
Viola
Corina Golomoz, Matthias Jäggi, Anne Sophie van Riel
Violoncello
Maya Amrein, Daniel Rosin
Violone
Guisella Massa
Oboe
Katharina Arfken, Clara Espinosa Encinas
Oboe da caccia
Philipp Wagner
Fagott
Gilat Rotkop
Horn
Stephan Katte, Thomas Friedlaender
Trompete
Jaroslav Rouček
Cembalo
Thomas Leininger
Orgel
Nicola Cumer
Musikal. Leitung & Dirigent
Rudolf Lutz
Werkeinführung
Mitwirkende
Rudolf Lutz, Pfr. Niklaus Peter
Reflexion
Referent
Michael Köhlmeier
Aufnahme & Bearbeitung
Aufnahmedatum
26.04.2024
Aufnahmeort
Trogen (AR) // Evang. Kirche
Tonmeister
Stefan Ritzenthaler
Regie
Meinrad Keel
Produktionsleitung
Johannes Widmer
Produktion
GALLUS MEDIA AG, Schweiz
Produzentin
J.S. Bach-Stiftung, St. Gallen, Schweiz
Textdichter
Erste Aufführung
10. Mai 1725 – Leipzig
Textgrundlage
C. M. von Ziegler (gedruckt 1728); Satz 1: E. Sonnemann (1661, nach J. Wegelin 1636); Satz 5: M. Avenarius (1673)
Text des Werks und musikalisch-theologische Anmerkungen
1. Chor
Auf Christi Himmelfahrt allein
ich meine Nachfahrt gründe
und allen Zweifel, Angst und Pein
hiermit stets überwinde;
denn weil das Haupt im Himmel ist,
wird seine Glieder Jesus Christ
zu rechter Zeit nachholen.
1. Chor
Die Librettistin Christiana Mariana von Ziegler wählt für den Eingangschor die 1. Strophe des gleichnamigen Liedes von Ernst Sonnemann (1661, eine Nachdichtung des Himmelfahrtsliedes von J. Wegelin, 1636) – und setzt damit das Leitmotiv für die ganze Kantate: Die Himmelfahrt Christi begründet die Hoffnung auf die «Nachfahrt» der Christen, sie gibt die Kraft zur Nachfolge und zur Überwindung von «Zweifel, Angst und Pein» unserer Welterfahrungen. Mit den schwungvollen Horntönen und der auf allen Ebenen nach oben ziehenden Bewegungsrichtung verkörpert der Satz aufgeräumte Festfreude und einladende Beweglichkeit.
2. Rezitativ — Tenor
Ich bin bereit, komm, hole mich!
Hier in der Welt
ist Jammer, Angst und Pein;
hingegen dort in Salems Zelt,
werd ich verkläret sein.
Da seh ich Gott von Angesicht zu Angesicht,
wie mir sein heilig Wort verspricht.
2. Rezitativ
Das Tenorrezitativ wiederholt als verinnerlicht vertontes Bittgebet das Bekenntnis des Chorals – die Bereitschaft, elend-peinvolle Welt zu verlassen, weil in «Salems Zelt» (im himmlischen Jerusalem) Verklärung und unmittelbare Gottesbegegnung versprochen seien.
3. Arie — Bass
Auf, auf, mit hellem Schall
verkündigt überall:
Mein Jesus sitzt zur Rechten!
Wer sucht mich anzufechten?
Ist er von mir genommen,
ich werd einst dahin kommen,
wo mein Erlöser lebt.
Mein Augen werden ihn in größter Klarheit schauen.
O könnt ich im voraus mir eine Hütte bauen!
Wohin? Vergebner Wunsch!
Er wohnet nicht auf Berg und Tal,
sein Allmacht zeigt sich überall,
so schweig, verwegner Mund,
und suche nicht dieselbe zu ergründen!
3. Arie
In der Bassarie wird ein Jubel angestimmt, weil der Gekreuzigte als Erlöser lebt und nun als Erhöhter zur Rechten Gottes sitzt. Denn damit ist alle Anfechtung überwunden, alle Zweifel sind besiegt: «Mein Augen werden ihn in größter Klarheit schauen», Christi Allmacht werde sich überall zeigen. Bach entwirft dafür eine dreiteilige Satzform, die zunächst das Streichertutti mit kraftvollen Trompetenfanfaren und einer durch die stimmlichen Register rauschenden Basskantilene kombiniert. Das grundstürzende Geschehen der Himmelfahrt wird dabei nicht nur klangvoll nachgezeichnet, sondern auch vom Ende her und strikt hierarchisch gedeutet. Jesus «Sitzen» offenbart sich dabei ebenso als ein über den sängerischen Wolken angesiedeltes «Thronen», wie der vor der Wiederkehr des Eingangstuttis eingeschobene Rezitativmittelteil in aller Verzückung davor warnt, Gottes «Allmacht» mit menschlichem Verstand ergründen oder sich gar bereits im Voraus einen Ort im Paradies sichern zu wollen.
4. Arie — Alt, Tenor
Sein Allmacht zu ergründen,
wird sich kein Mensche nden,
mein Mund verstummt und schweigt.
Ich sehe durch die Sterne,
daß er sich schon von ferne
zur Rechten Gottes zeigt.
4. Arie
Das Alt-Tenor-Duett vertieft die innige, hoffnungsvolle Freude und schwingt sich zum festlichen Bekenntnis auf: Auch wenn die «Allmacht» des erhöhten Christus von Menschen nicht zu ergründen sei, so sehe er doch «durch die Sterne … von ferne», dass sich Christus «zur Rechten Gottes» zeige. Im hier weniger pathetisch als demütig klingenden h-Moll angesiedelt, ist es vor allem die betörende Klangfarbe der solistischen Oboe d’amore, die bereits in den textlich abgedunkelten Eingangsteil jene Zuversicht hineinträgt, die dann im visionären Mittelabschnitt in lichtes D-Dur führt. Indem Bach trotz des manifesten «Ich» der Vorlage eine vokale Duo-Besetzung präferiert, kennzeichnet er den wartenden Umgang mit dem Fernsein des Heilands als kollektive Aufgabe der zurückgelassenen Gemeinde.
5. Choral
Alsdenn so wirst du mich
zu deiner Rechten stellen
und mir als deinem Kind
ein gnädig Urteil fällen,
mich bringen zu der Lust,
wo deine Herrlichkeit
ich werde schauen an
in alle Ewigkeit.
5. Choral
Als krönenden Choral setzt Christiana Mariana von Ziegler an den Schluss die 4. Strophe des Liedes «O Jesu, meine Lust» (M. Avenarius, 1673), die von der gnädigen Rechtfertigung durch Christus und von der Teilhabe der Christen bei der Schau seiner ewigen Herrlichkeit handelt. Zwei obligate Hornstimmen und die besonders eleganten Durchgänge der Sopranstimme verleihen diesem Choralsatz festliche Gestimmtheit.