Der Herr denket an uns

BWV 196 // zur Hochzeitsfeier

für Sopran, Tenor und Bass, Vokalensemble, Streicher und Basso continuo

«Genau hier und genau so» – wie der Besuch einer liebevoll geschmückten Dorfkirche selbst hartnäckig Unverheirateten zuweilen Lust auf eine lässig zelebrierte Trauung macht, verströmt Bachs Hochzeitskantate den ganzen Charme einer bodenständigen Feier mit höherer Weihe und einer Musik von nahbarer Kunsthaftigkeit. Entstanden wohl bereits 1707 in Mühlhausen und von der beweglichen Ensembledisponierung der frühen Bach’schen Kantaten geprägt, ist die mit einer beschwingten Sinfonia anhebende sowie von plastisch sprechenden Duetten und Segenschören getragene Musik von nimmermüder Frische und Leuchtkraft. Dass kein anderer als Bach selbst die himmlische Violinkantilene der Sopranarie «Er segnet die den Herrn fürchten» spielte, kann man sich gut vorstellen. Womöglich waren aber Bach und seine Braut Maria Barbara selbst das in Wort und Klang gepriesene Paar – reisen Sie also mit uns via Trogen ins idyllische Thüringer Dornheim…

Video

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Lutzogramm zur Werkeinführung

Manuskript von Rudolf Lutz zur Werkeinführung
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Akteure

Solisten

Sopran
Noëmi Sohn Nad

Tenor
Sören Richter

Bass
Tobias Wicky

Chor

Sopran
Cornelia Fahrion, Noëmi Sohn Nad

Alt
Laura Binggeli, Antonia Frey

Tenor
Zacharie Fogal, Sören Richter

Bass
Philippe Rayot, Tobias Wicky

Orchester

Leitung
Rudolf Lutz

Violine
Renate Steinmann, Monika Baer

Viola
Susanna Hefti

Violoncello
Martin Zeller

Violone
Guisella Massa

Fagott
Carles Cristóbal

Laute
Niels Pfeffer

Orgel
Nicola Cumer

Musikal. Leitung & Dirigent

Rudolf Lutz

Werkeinführung

Mitwirkende
Rudolf Lutz, Pfr. Niklaus Peter

Reflexion

Referent
Michael Maul

Aufnahme & Bearbeitung

Aufnahmedatum
17.03.2023

Aufnahmeort
Trogen (AR) // Evangelische Kirche

Tonmeister
Stefan Ritzenthaler

Regie
Meinrad Keel

Produktionsleitung
Johannes Widmer

Produktion
GALLUS MEDIA AG, Schweiz

Produzentin
J.S. Bach-Stiftung, St. Gallen, Schweiz

Zum Werk

Textdichter

Erste Aufführung
1707–1708 (womöglich Arnstadt oder Dornheim)

Textgrundlage
Psalm 115, 12–15

Text des Werks und musikalisch-theologische Anmerkungen

Die Kantate «Der Herr denket an uns» (BWV 196) ist nur in Abschriften erhalten, deren früheste von Johann Ludwig Dietel, einem ehemaligen Thomaner, stammt und aus den Jahren 1731/1732 datiert. Es fehlen alle Angaben bezüglich des Zwecks und der Aufführungszeit. Dass es sich aufgrund des ausschliesslich auf Psalm 115, 12–15 beruhenden Textes um eine Hochzeitskantate handeln muss, ist sicher unstrittig. Sie könnte dabei möglicherweise der Wiederverheiratung des Pfarrers Johann Lorenz Stauber mit Regina Wedemann, einer Tante von Bachs erster Ehefrau Maria Barbara, gedient haben oder gar für Bachs eigene Trauung mit dieser seiner Cousine bestimmt gewesen sein. Eine entsprechende Entstehung während Bachs Mühlhäuser Zeit 1707 bis 1708 würde nicht nur zum noch rezitativlosen älteren Formgerüst des Werkes, sondern auch zu jener beweglichen Ensembledisponierung sowie ausgemachten Frische und Leuchtkraft passen, die BWV 196 mit anderen frühen Bach’schen Kantaten gemeinsam hat. Dass kein anderer als Bach selbst die geschmeidige Violinpartie der Sopranarie «Er segnet, die den Herrn fürchten» spielte, kann man sich ebenso vorstellen, wie die insgesamt kompakte Ausdehnung und schlanke Besetzung der Kantate vielleicht eher für einen privaten Kontext als für eine offizielle Bestellung spricht.

1. Sinfonia

1. Sinfonia

Die umfangmässig knapp gehaltene, dabei jedoch meisterlich durchgeformte Sinfonia setzt im Gegensatz zu anderen frühen Kantaten Bachs bereits den modernen vierstimmigen Orchestersatz ohne geteilte Bratschen voraus. Sie schenkt dem Werk einen beschwingt-freudigen Einstieg, dessen laufender Bass förmlich zum Altar hinzuleiten scheint.

2. Chor

«Der Herr denket an uns und segnet uns. Er segnet das Haus Israel, er segnet das Haus Aaron.»

2. Chor

Der Text der Chorstücke und Arien stammt integral aus dem Psalm 115 – hier zuerst der titelgebende Vers 12 dieses Psalms. Der Bachforscher Philipp Spitta vermutete bereits im 19. Jahrhundert aufgrund der Wahl dieser Psalmverse eine Hochzeitsmusik, weil sie ausschliesslich vom Segen Gottes handelt. Mit Blick auf die Worte «… er segnet das Haus Aaron» (des Priesters und Mosebruders) schloss er auf die Trauung eines Pfarrers, konkret: auf die Wiederverheiratung des Pfarrers Johann Lorenz Stauber (1660–1723) mit Regina Wedemann (1660–1730), welche am 5. Juni 1708 in Arnstadt gefeiert wurde. Möglich aber wäre auch als Anlass Bachs eigene Trauung mit Maria Barbara am 17. Oktober 1707. Die Musik greift im flexiblen Dialog von Singstimmen und Streicherensemble zunächst den gestischen Beginn der Sinfonia auf, aus dem sich dann eine Fuge mit wahrhaft blumigen Vokalkoloraturen herausentwickelt.

3. Arie — Sopran

«Er segnet, die den Herrn fürchten, beide, Kleine und Große.»

3. Arie

Die Sopranarie koloriert das Psalmenzitat weiter (Vers 13) – «Er segnet, die den Herrn fürchten, beide, Kleine und Große» – und vertieft das für eine Trauung so passende Motiv des Segens und Gesegnetseins. Nach a-Moll versetzt, fangen die zugleich eindringlich sprechenden wie träumerisch verspielten Kantilenen des Soprans und der Violine die Stimmung eines solchen Tages der bewegten Hoffnung und innigen Verbindung aufs Schönste ein.

4. Arie — Duett: Tenor und Bass

«Der Herr segne euch je mehr und mehr, euch und eure Kinder. Der Herr segne euch.»

4. Arie

Sollte die These von der im Text sich spiegelnden Hochzeitskantate zutreffend sein, so ist der Einbezug nicht nur des Paars, sondern auch der anwesenden Kinder des Paars für eine Wiederverheiratung besonders passend: «Der Herr segne … euch und eure Kinder.» Durch die tiefere Lage der Singstimmen sowie den zeremoniellen Duktus des vollen Streichersatzes betont dieses Duett nach dem intimen Liebeslied der Sopranarie nun die sakramentale Würde des Hochzeitsaktes.

5. Chor

«Ihr seid die Gesegneten des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat; ihr seid die Gesegneten des Herrn. Amen.»

5. Chor

Der Chor beschliesst diese Kantate mit dem Zuspruch für das Paar, dem darin enthaltenen Ausdruck der Dankbarkeit und der Hoffnung auf künftigen Segen: «Ihr seid die Gesegneten des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat; ihr seid die Gesegneten des Herrn.» Während der Satzbeginn die lockere Reihung und pointierte Deklamation eines geistlichen Konzertes mit festlich wirbelnden Streichergirlanden kombiniert, demonstriert Bach in der spielerisch aufgebrochenen Doppelfuge des ausgedehnten Amen-Schlusses seine ganze musikalische Kunst.

Quellenangaben

Alle Kantatentexte stammen aus «Neue Bach-Ausgabe. Johann Sebastian Bach. Neue Ausgabe sämtlicher Werke», herausgegeben vom Johann-Sebastian-Bach-Institut Göttingen und vom Bach-Archiv Leipzig, Serie I (Kantaten), Bd. 1–41, Kassel und Leipzig, 1954–2000.
Alle einführenden Texte zu den Werken, die Texte «Vertiefte Auseinandersetzung mit dem Werk» sowie die «musikalisch-theologische Anmerkungen» wurden von Anselm Hartinger und Pfr. Niklaus Peter sowie Pfr. Karl Graf verfasst unter Bezug auf die Referenzwerke: Hans-Joachim Schulze, «Die Bach-Kantaten. Einführungen zu sämtlichen Kantaten Johann Sebastian Bachs», Leipzig, 2. Aufl. 2007; Alfred Dürr, «Johann Sebastian Bach. Die Kantaten», Kassel, 9. Aufl. 2009, und Martin Petzoldt, «Bach-Kommentar. Die geistlichen Kantaten», Stuttgart, Bd. 1, 2. Aufl. 2005 und Bd. 2, 1. Aufl. 2007.

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