Singet dem Herrn ein neues Lied
BWV 225 // unbekannte Bestimmung
für Vokalensemble, Oboe I+II, Taille, Theorbe, Streicher und Basso continuo
Mozart und Mendelssohn hat sie begeistert, und seit jeher ist sie ein Paradestück der Leipziger Thomaner und der besten Chöre weltweit: Bachs grosse doppelchörige Motette «Singet dem Herrn». Sie gehört zu seinen beschwingtesten Kompositionen und ist zugleich ein Prüfstein der sängerischen Virtuosität im Ensemble. Ob es sich bei der aus Bibeltext, Choralstrophen und freier Dichtung bestehenden mehrteiligen Vertonung um eine musikalische Neujahrsgabe, ein Stück zu einer Friedensfeier oder doch um eine externe Auftragsarbeit handelt, bleibt eine spannende Frage. Nach barockem Usus werden die Singstimmen in unserer Aufführung von Streichern und Holzbläsern verstärkt.
Das Werk im Kirchenjahr
Perikopen zum Sonntag
Perikopen spiegeln die biblischen Lesungen des jeweiligen Kirchensonntags wider, für den J. S. Bach komponierte. Weitere Infos zu Perikopen
Chor
Sopran
Lia Andres, Cornelia Fahrion, Delia Haag, Katharina Held, Stephanie Pfeffer, Simone Schwark, Mirjam Striegel
Alt
Antonia Frey, Nanora Büttiker, Katharina Guglhör, Laura Kull, Simon Savoy, Lea Scherer, Jan Thomer, Sarah Widmer
Tenor
Clemens Flämig, Zacharie Fogal, Achim Glatz, Klemens Mölkner, Joël Morand, Sören Richter
Bass
Fabrice Hayoz, Serafin Heusser, Christian Kotsis, Julian Redlin, Peter Strömberg, Tobias Wicky
Orchester
Leitung
Rudolf Lutz
Violine
Renate Steinmann, Monika Baer
Viola
Susanna Hefti
Violoncello
Hristo Kouzmanov
Violone
Shuko Sugama
Oboe
Clara Espinosa Encinas, Elena Branno
Fagott
Gilat Rotkop
Taille
Amy Power
Theorbe
Elias Conrad
Orgel
Nicola Cumer
Musikal. Leitung & Dirigent
Rudolf Lutz
Werkeinführung
Mitwirkende
Rudolf Lutz, Pfr. Niklaus Peter
Reflexion
Reflexion
Hartmut Rosa
Aufnahme & Bearbeitung
Aufnahmedatum
14.11.2025
Aufnahmeort
Trogen AR // evangelische Kirche
Tonmeister
Stefan Ritzenthaler
Regie
Meinrad Keel
Produktionsleitung
Johannes Widmer
Produktion
GALLUS MEDIA AG, Schweiz
Produzentin
J.S. Bach-Stiftung, St. Gallen, Schweiz
Textdichter
Entstehungszeit
um 1726–1727
Text
Satz 1: Psalm 149, 1–3; Satz 2: Nun lob, mein Seel, den Herren von Johann Gramann (Entstehungszeit um 1530; Erstdruck 1540, nach Psalm 103), Strophe 3, in Verbindung mit dem Gedicht Gott, nimm dich ferner unser an (Verfasser unbekannt); Satz 3: Psalm 150, 2 und 6
Text des Werks und musikalisch-theologische Anmerkungen
1. Chor
Singet dem Herrn ein neues Lied, die Gemeine der Heiligen sollen ihn loben. Israel freue sich des, der ihn gemacht hat. Die Kinder Zion sei’n fröhlich über ihrem Könige, sie sollen loben seinen Namen im Reihen; mit Pauken und mit Harfen sollen sie ihm spielen.
1. Chor
Für den Eingangschor hat der unbekannte Librettist ein wörtliches Zitat aus Psalm 149,1–3 gewählt, mit dem die Gemeinde nicht nur zum Gotteslob mit freudigem Gesang ermuntert wird, sondern auch zum Tanz («Reihen») und zu festlicher Musik mit Pauken und Harfen. Als «Kinder Zions» ist das Gottesvolk angesprochen, mit dem «König» der Gott Israels gemeint. Die Komposition stellt zunächst die beiden Chöre in einem blockhaften Wechsel gegenüber, der das uralte Prinzip des antiphonalen Psalmgesangs zu neuem Leben erweckt, dabei aber in von Beginn an auffälliger Verzahnung das verbindende Element des vokalen Gotteslobs hervorhebt. Wie Bach anschliessend tonmalerische Effekte («mit Pauken und Harfen»), weiträumigen Fugenaufbau («Die Kinder Zions») und zunehmende innere Beschleunigung zu einem rauschhaften Abschluss führt, ist in der Geschichte der Gattung Motette ohne Beispiel. Wenn Mozart bei seinem legendenumwobenen Besuch in der Leipziger Thomasschule 1789 tatsächlich an diesem Stück etwas «zum Lernen» fand, dann war es womöglich diese simultane Beherrschung verschiedener Stilebenen und «Geschwindigkeiten».
2. Arie und Choral
Wie sich ein Vater erbarmet
Gott, nimm dich ferner unser an,
Über seine junge Kinderlein,
So tut der Herr uns allen,
So wir ihn kindlich fürchten rein.
Er kennt das arm Gemächte,
Gott weiß, wir sind nur Staub,
Denn ohne dich ist nichts getan
Mit allen unsern Sachen.
Gleichwie das Gras vom Rechen,
Ein Blum und fallend Laub.
Der Wind nur drüber wehet,
So ist es nicht mehr da,
Drum sei du unser Schirm und Licht,
Und trügt uns unsre Hoffnung nicht,
So wirst du’s ferner machen.
Also der Mensch vergehet,
Sein End, das ist ihm nah.
Wohl dem, der sich nur steif und fest
Auf dich und deine Huld verläßt.
2. Arie und Choral
In Arie und Choral, dem zweiten Satz, hat der Textdichter die Verszeilen aus der dritten und sechsten Strophe von Johann Gramanns Kirchenlied, das sich eng an die Worte des Psalms 103 anschliesst, mit kommentierend dazwischen geschobenen Zeilen des Gedichtes «Gott, nimm dich ferner unser an» (dessen Verfasser ebenfalls unbekannt ist) verbunden. Textlich wird so das Endlichkeitsbewusstsein («arm Gemächte», «Staub», «Laub», gemähtes und bald verwelkendes «Gras») mit ermunternden Kommentaren aufgehellt, das in die Schlusszeile mündet: «Wohl dem, der sich nur steif und fest/Auf dich und deine Huld verlässt». Der in ruhigem Duktus vorgetragene Wechsel von Liedzeilen und gebetsartiger Bekräftigung verleiht dem auf zwei Strophen ausgedehnten Mittelabschnitt ein litaneiartiges Gepräge, das für die häufiger geäusserte Vermutung einer Neujahrsmusik mit verantwortlich sein dürfte.
3. Chor
Lobet den Herrn in seinen Taten, lobet ihn in seiner großen Herrlichkeit! Alles, was Odem hat, lobe den Herrn. Halleluja!
3. Chor
Der abschliessende Chor der Motette greift auf die Worte des letzten Liedes aus dem Buch der Psalter zurück, auf Psalm 150, der das Lob in der 2. Strophe mit Gottes Taten und «seiner großen Herrlichkeit», d.h. seiner glanzvollen, überwältigenden Präsenz, begründet. In der 6. Strophe wird dann der Kreis der Angesprochenen ausgeweitet über das Gottesvolk hinaus: «Alles, was Odem hat, lobe den Herrn Halleluja!» Wie so oft auch in seinem vokalen Œuvre arbeitet Bach hier mit der Folge eines konzertant und doppelchörig aufgebrochenen Präludiums («Lobet den Herrn in seinen Taten») sowie einer auf kraftvollste Vierstimmigkeit verdichteten Fuge. Deren virtuos jubelnde «Alleluia»-Schussfahrt gehört sicher zu den eindrücklichsten Erfindungen Bachs und ist etwas, das gelernte Thomaner noch heute in jeder Lebenslage «herunterorgeln» können.

